Klarheit und Perspektive(n)

in Entscheidungssituationen und Veränderungsprozessen

Supervision und Coaching Sabine Grimm

Roland Kachler: Kinder im Verlustschmerz begleiten[1]

Von Sabine Grimm

Der Psychotherapeut Roland Kachler ist vielen sicher durch seine Veröffentlichungen zum Thema Trauer bekannt. Als ich 2015 sein Buch „Meine Trauer wird dich finden“ las, war dies eine Offenbarung für mich: Endlich sprach mir jemand aus dem Herzen: Nein, das sich Lösen aus der Bindung zum/zur Verstorbenen muss nicht am Ende einer „erfolgreichen“ Trauerbewältigung stehen. Trauernde „dürfen“ die Erinnerung an ihre*n Lieben lebendig halten und eine zwar andere, aber doch Beziehung zu ihnen entwickeln und pflegen.

Während meiner Beschäftigung mit dem hypnosystemischen Ansatz – eine weitere nachhaltige Inspiration der letzten Jahre für mich – begegnete mir Roland Kachler wieder. Er hat mehrere Bücher zu hypnosystemischer Trauerarbeit- und Therapie veröffentlicht (Hinweise am Ende dieses Textes). Und nicht nur dies: Roland Kachler ist auch Paartherapeut. In seinem 2015 erschienen Buch „Die Therapie des Paar-Unbewussten“[2] beschreibt er seinen tiefenpsychologisch-hypnosystemischen Ansatz zur Arbeit mit Paaren.

Sein 2021 in der Reihe „Leben lernen“ des Klett-Cotta-Verlags erschienenes Buch „Kinder im Verlustschmerz begleiten“[3] beschäftigt sich genau damit: Kinder dabei zu unterstützen, mit dem schmerzlichen und sehr oft traumatischen Verlust von Eltern, Geschwistern oder anderen nahen An- bzw. Zugehörigen (wieder neu) leben zu lernen.

Nach fundierten Ausführungen zu den verschiedenen Dimensionen von Trauer und den entwicklungspsychologischen Besonderheiten der Trauerverarbeitung von Kindern stellt der Autor seinen eigenen Ansatz der Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche  nicht nur vor, sondern auch ausführlich dar.

Wodurch ist seine spezifische Arbeitsweise gekennzeichnet? Hier einige Schlaglichter:

  • Ernstnehmen und „erlauben“ der Trauer und der sie begleitenden Gefühle und Verhaltensweisen
  • Achtsamkeit gegenüber dem und Bearbeitung des in den meisten Fällen wirkenden Bindungstraumas und des Verlusttraumas (z.B. bei Tod durch Suizid, Unfall oder bei traumatisierenden Auffindesituationen)
  • Hypnosystemisch:
    • ernstnehmen und Arbeit mit der Beziehung zum/zur Verstorbenen sowie aktive Einbeziehung des Familiensystems des Kindes bzw. Jugendlichen
      • Pendeln zwischen Stabilisierung, Ressourcenarbeit und Identitätsstärkung, Stärkung der Beziehung zum/zur Verstorbenen, Realisierungsarbeit und Traumaverarbeitung sowie imaginativer Trauma-Heilung für den/die Verstorbene*n
      • Aktive Bejahung und Einbeziehung unwillkürlicher Prozesse und von Imagination
  • psychoedukativ (und damit ebenfalls ernstnehmend und identitätsstärkend)

Es handelt sich um einen klar strukturierten Prozess, der über mehrere Sitzungen verläuft.

Das o.g. Pendeln vollzieht sich in der Abfolge verschiedener Phasen, wobei der Autor immer wieder betont, wie wichtig es ist, vor jeder Realisierungs- oder gar Trauma-Arbeit (immer wieder neu) einen „sicheren Raum“ zu bieten (vgl. auch Rogers´ Variablen eines förderlichen Beziehungsangebots), stabilisierend zu arbeiten und die Beziehung zum/zur Verstorbenen zu stärken.

So benennt er auch die „3-E-Grundinterventionen“: -> Erlauben -> Ermutigen -> Ermöglichen.

In den einzelnen Phasen müssen die Ziele und Interventionen zudem altersangemessen gestalten werden, d.h. unter Beachtung der jeweiligen entwicklungsabhängigen Trauerverarbeitungsmöglichkeiten und -bedürfnisse.

Der Autor vermittelt immer wieder fundiertes Wissen, z.B. zu Trauerarten sowie zu Möglichkeiten der Trauer- und Traumabewältigung. Zudem beschreibt er seine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anhand zahlreicher Beispiele und gibt konkrete Hinweise zur Arbeit mit Eltern.

Auch wenn in der Praxis nur wenige Kolleg*innen die Rahmenbedingungen zur Absicherung des von Roland Kachler vorgeschlagenen Settings haben werden, wünsche ich dem Buch eine große Verbreitung. Für mich selbst und meine eigene beraterische Tätigkeit ist es eine große Bereicherung.

Literatur

DAJEB (2022)       Online- Beratung als Profession 9/2022. Web-Link: https://www.dajeb.de/fileadmin/dokumente/04-publikationen/beratung-als-profession/beratung-als-profession-Nr-09-2022.pdf

Kachler (2005)     Kachler, Roland: Meine Trauer wird dich finden!: ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit. Kreuz-Verlag, Stuttgart 2005

Kachler (2014)     Kachler, Roland: Hypnosystemische Trauerbegleitung. Ein Leitfaden für die Praxis. Carl-Auer, Heidelberg 2014

Kachler (2015)     Kachler, Roland: Die Therapie des Paar-Unbewussten. Ein tiefenpsychologisch-hypnosystemischer Ansatz“. Klett-Cotta, Stuttgart 2015

Kachler (2018) Kachler, Roland: Nachholende Trauerarbeit: Hypnosystemische Beratung und Psychotherapie bei frühen Verlusten. Carl-Auer, Heidelberg 2018

Kachler (2021)     Kachler, Roland: Kinder im Verlustschmerz begleiten“. Hypnosystemische, traumafundierte Trauerarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Klett-Cotta, Stuttgart 2021


[1] Diese Rezension erschien im Oktober 2022 in der Online-Zeitschrift der DAJEB (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V.): Beratung als Profession 9/2022

[2] Kachler (2015)

[3] Kachler (2021)

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