Klarheit und Perspektive(n)

in Entscheidungssituationen und Veränderungsprozessen

Supervision und Coaching Sabine Grimm

Rudolf Sanders: Partnerschule. Paartherapie im integrativen Verfahren

Von Sabine Grimm

Rudolf Sanders ist Gründer der Partnerschule und begleitet Paare seit über 30 Jahren im Rahmen von Beratung/Therapie und in Paarkursen. „Daneben“ ist er Mitglied im Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend und Eheberatung e.V. (DAJEB).

Im Februar 2022 erschien bei Junfermann sein eigenes neues Buch[1], dessen Entstehung ich von Ferne begleiten durfte.

Das nun vorliegende Buch enthält eine dichte und tiefgründige Beschreibung seines Ansatzes, untersetzt durch profundes Wissen aus unterschiedlichsten Bereichen der Psychologie und Beratungswissenschaft. Nichts für Lesemuffel, aber sehr bereichernd für all die, die sich mit Paarberatung und -therapie auseinandersetzen und – ganz nebenbei – Einblick in Theorien, Modelle und Ansätze wie Polyvagal Theorie, Schematherapie, Traumatherapie, emotionsfokussiertes Arbeiten, das Züricher Ressourcenmodell und einige mehr erhalten wollen.

In einer Hinführung zum „Ansatz der Partnerschule“ stellt der Autor zum einen grundlegende Prämissen und Wurzeln seiner Arbeit vor.

Hier finden Sie u.a. Erläuterungen zur Polyvagal Theory (Steven Porges), zu den Grundlagen der Emotionsfokussierten Therapie (L. Greenberg und insbesondere im Verständnis von S. Johnson) und Schematherapie (Eckhard Roediger), den Auswirkungen traumatischer Bindungserfahrungen auf die Entwicklung im Erwachsenenalter (Mary Ainsworth und John Bowlby) sowie zum Konfliktverhalten im Paar (insbesondere Katharina Klees). In der Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen geht er den lebensgeschichtlichen Ursachen von Partnerschaftskonflikten auf den Grund.

Sein Blick auf Vergangenheit und – oft als konflikthaft erlebte – Gegenwart des Paares ist jedoch keinesfalls problemzentriert. Ja, es geht um „Diagnostik“ und um mögliche Ursachen aktuellen Konfliktverhaltens. Das Wissen darum – psychoedukativ mit dem Paar geteilt und erlebnisorientiert erfahrbar gemacht – stellt für ihn einen wichtigen Hebel in der Arbeit mit Paaren dar. Doch immer wieder geht es R. Sanders v.a. darum, Gelungenes und Gelingendes aufzuspüren, Zuversicht und Selbstwirksamkeit zu fördern. Und es geht ihm darum, dass die Partner*innen (wieder) lernen, sich selbst und die/den Andere*n zu verstehen und wertzuschätzen.

Sein eigener „integrativer“ Ansatz bezieht „mehrdimensionale Perspektiven auf Menschen“ ein. Auf Menschen als bio-psycho-soziale Wesen in ihrem Gewordensein, ihrem aktuellen Erleben und in dem, was sie (miteinander) werden und leben wollen. Damit verschränkt er Vergangenheit, Gegenwart (Hier und Jetzt der Paarbeziehung, aber auch des paartherapeutischen Settings) und (erhoffte) Zukunft.

Bevor Rudolf Sanders die aufeinander aufbauenden Module seine „Partnerschule“ im Einzelnen vorstellt, macht er Ziele und Vorgehensweise sehr deutlich:

Es geht ihm darum, Paaren einen Weg aufzuzeigen, wie sie als Paar wieder glücklich werden können. Dies erfordere, sich (wieder) aufeinander einzulassen – und auf einen gemeinsamen Entdeckungs- und Veränderungsweg, dessen Stationen (Module) er im Laufe vieler Jahre wissenschaftlicher Auseinandersetzung und beraterischer Begleitung von Paaren entwickelt hat.

Bereits auf dem Weg erfahren die Partner*innen notwendigerweise Zuversicht, Selbstwirksamkeit, das Wachsen ihrer Beziehungskompetenz und peu à peu ein Sich-Verändern ihres Umgangs miteinander („alternative Beziehungserfahrungen“).

Rudolf Sanders nennt sein Angebot „Therapie“ In einem „Exkurs: Paartherapie, Paarberatung, Paarcoaching oder Beziehungskompetenzentraining?“[2] setzt er sich mit der Begriffsgeschichte und -Bedeutung auseinander. Dabei geht er zurück bis in die Griechische Antike und beleuchtet den Zusammenhang von Heilkunst, pädagogischer Führung und Lebenskunst. Seine Arbeit soll „heilen“, soll Paaren helfen, zur für sie „rechten Lebensführung“ zu kommen Eine Eingrenzung auf therapeutisches Arbeiten in Sinne des Psychotherapiegesetzes ist hier ausdrücklich nicht gemeint.

Die Verantwortung des Therapeuten liegt für ihn neben der Anerkennung der Erfahrungen und Lösungsversuche des Paares und der Vermittlung von Zuversicht auch darin, die Führung zu übernehmen, gewissermaßen ein verlässlicher Guide zu sein, der den Weg kennt und seinen Klient*innen Sicherheit und Orientierung vermittelt.

Veränderung als geführter Prozess

Der Ansatz „Partnerschule“ umfasst fünf aufeinander aufbauende und doch prozesshaft verschränkte Module. Zur Verdeutlichung bediene ich mit einer Grafik des Autors:[3]

Die einzelnen Module werden ausführlich vorgestellt, dabei erläutert der Autor zum einen die jeweiligen theoretischen Grundlegungen und die Ziele. Zum anderen – und dies lässt das Herz von Praktiker*innen sicher höherschlagen – stellt er eine Fülle konkreter Methoden vor – wiederum mit Herleitung, Zielsetzung und Hinweisen zur Anwendung. Die Methodenauswahl spricht dabei ganz verschiedene Erlebensdimensionen an: kognitives Verstehen und Mentalisierungs-fähigkeit, Kreativität leib-haftes Wahrnehmen und Erleben im Hier und Jetzt. Vorgestellt werden auch vollständige Einzel- und Paarinterviews zu Bindungserfahrungen und zur Paargeschichte, Methoden zur Skulpturarbeit, Imaginationen, Psychoedukation, …. Teilweise beschreibt er ganze Sitzungen.

Sehr Mut machend und entlastend  – sowohl für die Paare selbst, als auch für die Berater*in  – ist zudem der „,Erste-Hilfe-Koffer´ für Paare in Stresssituationen“[4]. Hier werden Microinterventionen vorgestellt, die Paaren auch in scheinbar verfahrenen Situationen dabei unterstützen, Konflikte zu deeskalieren und wieder in einen achtsamen und wertschätzenden Dialog zu kommen.

Das 5. Modul „Partnerschule bringt Paare in Bewegung“ wurde von Renate Lissy-Honegger verfasst, mit der Rudolf Sanders seit vielen Jahren im Rahmen seiner „Partnerschule“ zusammenarbeitet. Hier finden Sie nochmals grundlegende Gedanken und Prämissen zum „Konzept des Leibes“, zur Wechselbeziehung von psychischem Geschehen und körperlichem Ausdruck, zur „Zwischenleiblichkeit“ und zur Bedeutung und Förderung von Achtsamkeit.

Ich habe das Buch mit großem Gewinn gelesen, sowohl für meine Arbeit mit Paaren als auch für die Beratung Einzelner. Und obwohl ich selbst aus lebens- und lerngeschichtlichen Gründen einem betonten Wegeweise- und Führungswillen der Beratungsperson eher skeptisch gegenüberstehe, sind die Argumentation des Autors und der Spannungsbogen seiner „Partnerschule“ für mich sehr nachvollziehbar und anregend für die Erprobung in meiner eigenen Praxis.

Neben der anschaulichen Beschreibung seines Ansatzes in aufeinanderfolgenden Modulen hat Rudolf Sanders zudem ein Kompendium der psychologischen Beratung vorgelegt. Die beschriebenen Methoden können im Rahmen unterschiedlicher Ansätze und Settings umgesetzt werden.

Das Buch enthält einen ausführlichen Index sowie einen Link zum Herunterladen der E-Book-Version, was im Hinblick auf den Transfer der Methoden und Fragebögen in die eigene beraterische Praxis der Leser*innen sehr praktisch ist.

Ich wünsche dem neuen Werk von Rudolf Sanders eine große Verbreitung.


[1] Sanders (2022): „Die Partnerschule: Paartherapie im Integrativen Verfahren“. Junfermann Verlag. Paderborn 2022

[2] Ebd., S. 28ff.

[3] Prozessgrafik Paartherapie, ebd., S. 84

[4] Ebd. S. 104ff.

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